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Kozani - Mathilda´s Geschichte

Ein Bericht von Antonia Xatzidiakou

Mathildas´s Geschichte ist eine traurige, aber leider keine besondere.
Schicksale wie das ihre wiederholen sich immer und überall. Wir Tierschützer wissen nur zu genau, dass es in den Frühlingsmonaten, also den starken „Reproduktionswochen“, täglich passiert - Babys in Mülltonnen.
„Was haben die denn da zu suchen?“, könnte man naiv fragen, aber die Antwort ist jedem Menschen mit einem Hauch von Empathie völlig klar: Nichts.
Ist aber Empathie ein Fremdwort und die Erziehung ließ keinen Platz für Mitgefühl, so ist das Problem aus den Augen, wenn sich der Deckel schließt.
Wo so etwas passiert, müssen wir hier nicht aufführen, denn es passiert überall.
Ich kastriere, um diese Geschichten zu verhindern. So viele wie möglich. Immer und überall. Wir werden ja sehen, wer diesen langen Kampf am Ende gewinnt.
Der Fließbandmodus wird von meinem Gehirn unterbrochen. Manches Mal habe ich gute Ohren, was nicht immer von Vorteil ist, und so lausche ich, gegen die Monotonie des Operierens ankämpfend, mehr oder weniger unabsichtlich, dem Telefonat des Hundefängers. „Wir nehmen keine Welpen im Tierheim auf“ sagt er, als würde er einem Kunden mitteilen, dass die Pommes gerade ausverkauft sind.
„Ich weiß nicht… vielleicht könne sie selbst die Welpen in Pflege nehmen… Ich kann nicht… helfe gerade bei einer Kastrationsaktion…“ Stille.
„Um was ging es denn?", frage ich den Fänger. Im selben Tonfall, mit dem er „die Pommes sind aus“ gesagt hatte, antwortet er, dass die Entsorgungsleute es kurz vor knapp geschafft hatten, einen Welpen aus dem Bauch der Fahrzeugpresse zu ziehen, bevor dieser zermalmt worden wäre.
Wenn Sie, liebe Leser, es bis hierhin geschafft haben meine Zeilen zu lesen, denken Sie jetzt sicherlich: „was für ein sch** Land“! Was für brutale Menschen! Was für ein herzloser Fänger!
Ja, Sie haben recht. Aber inzwischen habe ich gelernt, dass diejenigen, die im Tanzkreis sind, oft nicht merken, wie falsch ihre Schritte sind.
Ich möchte nichts entschuldigen, aber erklären. Der Fänger ist jeden Tag mit diesen Sorgen konfrontiert. Er hat eine, für Außenstehende, kalte Taktik entwickelt, um sich selbst zu schützen. Man kann dies verurteilen, ja, aber erst wenn man selbst täglich mit Kartons voller Welpen überschüttet wird und beim besten Willen nicht mehr weiß, wohin damit - dann kann man verstehen, wie verzweifelt man am Ende ist und dass man oberflächlich und kalt wird.
Ich bin aber noch nicht kalt. Weder innerlich noch oberflächlich. Ich werde mich nie damit abfinden! Also wird das Wissen um ein Tier in Not nicht ignoriert, sondern angegangen. „Wir brauchen dich hier im Moment nicht“ rufe ich ihm zu. „Fahr hin.“
Unverständlich schaut er mich an, nach einer Ausrede suchend. „Wir haben kein Auto hier“. „Nimm meins!“ In meiner Stimme erkennt er, dass ich es ernst meine und Widerstand zwecklos ist. Wer legt sich schon mit einer tollwutähnlichen Tierärztin an, die kastrieren kann? Unmotiviert macht er sich von dannen, wahrscheinlich in dem Glauben, dass er jetzt die Arbeit eines jungen Hundes aufgedrückt bekommt und geistig schon die Überstunden addiert. Die Müllmänner hatten den nahezu leblosen Körper neben die Mülltonne ins Gras gelegt. Ein älterer Herr aus der Nachbarschaft lobte den einsammelnden Hundefänger mit den Worten: „Gut, dass du ihn abholst, der hätte sonst hier alles zugestunken“. Man kann frustriert auf diese Geschichte reagieren, aber ich möchte keine weitere Energie verlieren. Ich möchte auch nicht zu einer Menschenhasserin werden. Davon gibt es in der Tierschutzszene mehr als genug. Ich brauche all meine Energie für Mathilda. Wir haben lange um ihr Überleben gekämpft, so geschwächt hatte man sie entsorgen wollen. Untertemperatur, Parasiten, Durchfall, Augenentzündungen, schiefe Beine aufgrund schlechter Ernährung und und und…
Meine Energie hat gereicht. Mathilda hat gekämpft. Wir beide gegen die Welt. Gegen die Mülltonnen. Gegen die Ignoranz. Niemand gibt hier auf, keine Antonia und keine Mathilda!

Antonia Xatzidiakou